Der zerstruwwelte Peter und andere Highlights

Hans-Jürgen Lenhart war wieder bei uns zu Gast und hat den Lesungsraum gerockt. Begleitet von der Hanauer Literaturexpertin Ursula Zierlinger hat er den Struwwelpeter zerstruwwelt und neu gekämmt, und was haben wir gelacht. Daneben ging es durchaus ernsthaft zu, wenn Frau Zierlinger von Hintergründen zu den Texten, zur Geschichte des Autors, Dr. Heinrich Hoffmann, zu antisemitischen Tendenzen und ähnlichem berichtete. Aber der Fokus lag doch auf dem unglaublichen Talent Lenharts, aus Bekanntem Neues zu schaffen und immer den passenden Rhythmus dazu zu finden.

Bestes Beispiel dafür: der Zapp-Philipp. Lenhart hat buchstäblich jede Struwwelpeter-Geschichte neu interpretiert, und so wurde aus dem Zappelphilipp der moderne Junge mit der Fernbedienung, der sich durch sämtliche deutschen Fernsehsender zappt, bis er zur Skulptur gefriert und mit seinem Stuhl hintenüberkippt. Das Ganze unvergleichlich gerappt, man merkt Lenhart seine Poetry Slam-Erfahrung deutlich an.

Minz und Maunz, die Katzen aus der gar traurigen Geschichte mit dem Feuerzeug, leiteten mit ihrem „miau mio, miau mio, wo ist das nächste Klo?“ die Pause sowie den Schluss ein, und immer wieder spielten sich Lenhart und Zierlinger die Bälle zu und reimten gemeinsam eine gekonnte Mischung aus den alten und den neuen Texten. Zierlingers Ausführungen zur Kindererziehung, die bis zur Zeit des Struwwelpeter, der 1845 erschien, hauptsächlich darin bestand, dass die Kinder zu schweigen und zu gehorchen hatten, ansonsten drohten schwere Prügelstrafen und Misshandlungen, regten zum Nachdenken an, und wenn man den Struwwelpeter heute als nicht mehr erziehungsgerecht betrachtet, ist er doch ein großer Fortschritt gegenüber vergangenen Zeiten. Kurzum, es war ein zugleich unterhaltsamer wie auch lehrreicher Abend, der im coronagerecht ausgebuchten Lesungsraum „Jacob“ zu anhaltendem Applaus und viel Gelächter führte.

Im Anschluss hatten die Gäste Gelegenheit, die derzeit im Obergeschoss eingerichtete Ausstellung zu besuchen, deren Vernissage mit meinem alten Schulfreund Andreas Grafl am 25. September stattgefunden hatte, seinerzeit nicht mit der erhofften Resonanz, aber noch bis zum 31. Oktober sehr zu empfehlen.

Ja, und das nächste Highlight steht bereits vor der Tür: am 27. Oktober tritt erneut Reiner Roßkopf bei uns auf und begleitet sich selbst auf der Gitarre zu Liedern von Reinhard Mey. Unbedingt reservieren, das darf man nicht verpassen!