Die echte Ansicht von Delft

In der ersten Woche des neuen Jahres haben wir eine kleine Bildungsreise gemacht und sind auf den Spuren Jan Vermeers gewandelt, um seine Welt wie auch das Original unseres Nachdrucks zu entdecken.

Um es kurz zu machen: ein überwältigender Moment, im an diesem eher trüben, kalten Januartag nur vergleichsweise spärlich besuchten Mauritshuis in Den Haag vor dem Gemälde zu stehen und es in allen Details studieren zu können, wie seinerzeit Bergotte im Roman von Marcel Proust. Hilfreich war das am Tag zuvor im Vermeer-Museum in Delft erworbene Wissen über Vermeers besondere Kunst, das Licht einzufangen und wiederzugeben. Die kleine weißen Tupfer wirken aus der Ferne wie Leuchtpunkte, die das Sonnenlicht spiegeln. All das kommt natürlich in der gedruckten Kopie überhaupt nicht zum Ausdruck.

Dennoch lieben wir unser „schönstes Gemälde der Welt“ und es haben schon zahlreiche Gäste darunter gesessen, sich fotografieren lassen, uns dazu befragt, es bestaunt und bewundert. Nicht zuletzt repräsentiert es uns ja auch in den „111 Orten an Main und Kinzig, die man gesehen haben muss“ von Tim Frühling; das leicht unscharfe Selfie hier rechts beweist es. Vergangenes Jahr war die große Vermeer-Ausstellung in Amsterdam, zu der zwei Gäste aus Holland mich am liebsten mitgenommen hätten – sie hatten sogar eine Eintrittskarte übrig – aber natürlich war das zeitlich überhaupt nicht zu machen.

Im Mauritshuis hängt auch das „Mädchen mit dem Perlenohrring“, vor dem sich ehrfürchtig die Besucher versammelten wie vor der Mona Lisa im Louvre, und zweifellos ist das Bild etwas ganz Besonderes; trotzdem würde ich nicht tauschen wollen. In Delft steht eine Informationstafel an der Stelle des Südhafens, von der aus Vermeer die „Ansicht“ vermutlich gemalt hat; heute ist außer dem Turm der Nieuwe Kerk und der Gracht im Vordergrund, die in die Stadt hineinführt, nichts mehr davon zu erkennen.