Nach zehn Monaten endlich wieder: ein Abend mit Künstlern und Gästen im Lesungsraum. Was für ein Fest! Die Tabutanten waren bei uns, und erst bei der Begrüßung und Vorstellung habe ich gelernt, dass man sie auf der dritten Silbe betont und nicht auf der zweiten… Aber ein bisschen passt auch beides. Ich weiß nicht, was ein Tabutant ist, aber in der neuen deutschen Sprachwelt hätte ich bei dieser Betonung eher mit Tabutantinnen gerechnet und mich daher auf die Lesart konzentriert, dass sich hier zwei Tanten, die keine Tabus kennen, präsentieren werden.
Wie dem auch sei, Christine Holzer und Simone Schmitt machen improvisiertes Theater, und was haben wir gelacht! Sie lassen sich vom Publikum ein paar Stichworte zu beliebig ausgewählten Themen zurufen, und dann entsteht eine Szene, mit minimaler Verkleidung, wenigen Gesten, aber viel Sprachgewalt, die den Zuschauer mitnimmt auf den Campingplatz, in den Baumwipfelpfad, zu ausgependelten Zen-Schottergärten und getöpferten Schüsseln. Aus dem Nichts entsteht ein Gedicht aus all den Ingredienzien des Abends; Simone Schmitt erstellt ein Gedankenspiel zu Masken und Büchern, die einen wie die anderen geeignet, sich zu verstecken in Umgebungen, in denen man so oder so nicht gern zu dicht an andere herankommt: in der Bahn, zum Beispiel.

Hörenswert die Dialektverwandlungen von Christine Holzer, die sich so weit in ihre Rolle hineinfühlt, dass aus ihr ganz von allein die Schwäbin oder die Berlinerin wird; sogar Russisch spricht sie so, dass es durchaus Russisch sein könnte (oder war es gar am Ende Russisch? Ich weiß es nicht, aber dass Freundschaft tatsächlich дру́жба heißt, hat Leo mir soeben verraten, also lehne ich mich lieber nicht noch weiter aus dem Fenster).
Die Tabutanten sind aus Aschaffenburg, und wer sie live erleben möchte, sollte sich das nicht entgehen lassen. Inspirierend und lebensklug, augenzwinkernd und sprachgewandt. So haben sie unseren Lesungsraum zur Bühne des Lebens gemacht, dafür ganz herzlichen Dank!
