Tag 8

Ich sitze bei offenem Fenster in meinem Dachstübchen und genieße die Sonne, die mir auf den linken Arm brennt. Der Blick geht zur Martinskirche, jedenfalls, wenn ich mich weit genug nach links beuge, ansonsten sehe ich nur die Dachziegel des Nachbarhauses, wo jetzt im Frühjahr oft die Amsel sitzt und ihr Lied singt.

Mir ist weniger nach Singen zumute, nachdem ich immer noch Artikel und Blogbeiträge lesen muss, die die Corona-Epidemie mit der jährlichen Grippe vergleichen, die derzeitigen Maßnahmen als Entmündigung betrachten und die Übernahme durch den Staat befürchten. „Operation gelungen, Wirtschaft tot.“ Plötzlich heißt es allerorten, man dürfe die Wirtschaft nicht der ungewissen Sorge um ein Virus opfern. Der deutsche Michel folgt mal wieder widerspruchslos der Obrigkeit, lese ich, und wir bräuchten eine Herdenimmunität.

Wir sind jetzt seit einer Woche mit den strengen Maßnahmen konfrontiert. Können wir nicht alle noch ein wenig durchhalten, bis wir echte Resultate sehen? Der deutsche Michel ist nicht der einzige, der eingesperrt ist. Der deutsche Michel ist auch nicht der einzige, der Klopapier hortet, aus welchen Gründen auch immer. Schaut niemand nach Italien und Spanien, wo die Leichen mit Militärfahrzeugen aus den Krankenhäusern abtransportiert werden? Alle Welt wundert sich über unsere niedrige Sterberate, aber hier scheint das niemand zur Kenntnis zu nehmen. Die Herdenimmunität wird kommen, keine Sorge, wenn wir erstmal die 60-70% an Erkrankungen erreicht haben, aber die sollen halt nicht alle gleichzeitig passieren,  ist das denn so schwer zu verstehen?

Drei Wochen noch. So lange sollen die strengen Maßnahmen gelten, und glaube doch keiner, die Politik würde sich keine Gedanken machen, wie es danach weitergeht. Die Steuereinnahmen brechen weg, das lässt doch Politiker nicht kalt. Im Moment fahren alle auf Sicht, niemand weiß, was das Beste ist, wir können ja zuschauen, was in China passieren wird, die sich jetzt sicher fühlen und die Produktion wieder hochfahren.

Und Boris Johnson, der große Clown und Händeschüttler, ist nun positiv diagnostiziert. Vielleicht versuchen wir einfach mal, noch drei Wochen die Nerven zu behalten.

„It’s a town full of losers and we’re pulling out of here to win“ – Bruce Springsteen, „Thunderroad“