Von Trainern und Managern

Also, falls mich mal einer fragen sollte, als was ich gern wiedergeboren würde, dann gäb’s für mich nur eine Antwort. Rudi Assauer. Der Mann hat vielleicht was drauf. Nicht nur, dass ich dann die feinsten Zigarren rauchen könnte, dauernd leckeres Veltins trinken dürfte und in einem piekfeinen Mantel am Spielfeldrand stehen – ich würde auch noch lauter unheimlich kluge Sachen sagen:

„Bei denen brauchste nix rauskitzeln, so wie bei den Etablierten. Die Mainzer Jungens brennen ja schon eine halbe Stunde vor dem Spiel, weil sie sich so freuen, da oben überhaupt mitspielen zu dürfen.“

Ja, das ist wahr. Und das hat Tiefe. Denn niemand ist so etabliert wie das Management der Etablierten. Der glücklose Präsident des BVB wird jetzt nach achtzehn Jahren von seinem eigenen Vorgänger abgelöst. Kann sich irgend jemand vorstellen, dass Berti the former Scotsman Vogts noch mal die Nationalmannschaft trainiert?

Genug gelacht, das Thema ist ernst. Die Frage lautet: Darf der Rudi das? Sätze ins Mikrofon sprechen, die dann auch noch in der Presse zitiert werden?

Aber ja, natürlich darf er. Er ist der Manager! Früher waren ja die Trainer für die Pflege der Zitatensammlung zuständig. „Der Ball ist rund und das Spiel dauert neunzig Minuten.“ Unvergessen. Aber ein Fall für die Mottenkiste. Denn: wozu braucht man heute noch einen Trainer?

Trainer gehören ins Nostalgiealbum. Heute sind Manager gefragt, im Fußball ist das nicht anders als in der Wirtschaft. Calmund, Assauer, Hoeneß. Das sind Namen, die man sich merken muss. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, doch zur Illustration des etablierten Managements müssen diese drei genügen. Reiner Calmund, der seine Qualifikation jetzt als Big Boss bei RTL unter Beweis stellen darf. Rudi Assauer, der sich von seiner schmucken Simone das letzte Bier wegtrinken lässt. Uli Hoeneß, der neuerdings auch lauter kluge Sachen sagen darf wie „11833!“ oder „He, der Scholl wird grad frech!“ Das hat Charme, das ist originell, das brauchen wir in dieser orientierungslosen Zeit.

Trainer dagegen sind austauschbar. Heute verheizen sie Leverkusen, morgen stürzen sie Dortmund tiefer als es am Neuen Markt jemals möglich gewesen wäre, nächstes Jahr steigt Bayern München ab. Was soll’s. Trainer kommen und gehen. Im Moment spricht alle Welt von Jürgen Klopp, weil der immer so motivierend brüllt, wenn seine Mannschaft mal ein Tor schießt. Den kriegen wir auch noch klein, spätestens in der Rückrunde wird er dieses rüpelhafte Benehmen ablegen.

Nein, Trainer brauchen wir nicht in der Ersten Bundesliga, der Königsklasse, da, wo die Etablierten wohnen. Wo Ballack anderer Leute Nasen bricht und Kahn in anderer Leute Nasen bohrt. Die Leute wollen das sehen! Sie wollen Manager sehen, die in piekfeinen Mänteln am Spielfeldrand stehen, und sie wollen Trainer sehen, die von einem Verein zum anderen gereicht werden, immer rundherum. Wer das nicht aushält, der soll doch in der zweiten Liga bleiben. Da, wo die Trainer länger als ein halbes Jahr für ihre Mannschaft verantwortlich sind. Verantwortlich – was ist das denn für ein Wort? Klingt nach Gewerkschaft, nach Streik und Aussperrung. In der ersten Liga wird niemand ausgesperrt, nur weil er mal länger als zwölf Sekunden den Ball festhält. Die erste Liga schillert und glänzt, dafür sorgt das P1 und die Börse. Kann sich irgendein Mensch vorstellen, dass Greuther Fürth an die Börse geht? Na bitte. Genauso wenig werden die sich irgendwann mal aus Versehen in die erste Liga verirren. Greuther Fürth. Pffft. Wo liegt denn das überhaupt, dieses Greuth?

Trainer taugen heutzutage nicht mal mehr als Bundestrainer. Erinnern wir einen Moment lang an die Suche nach einem Nationaltrainer, nachdem Völler in Portugal das Handtuch geschmissen hatte. Hitzfeld wollte nicht, Daum war indiskutabel, und schon gingen MV und seiner Trainerfindungskommission die Namen aus. Nicht einmal Rangnick kam ins Gespräch, und der hat ja nun schon alles trainiert, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Stattdessen wurde ein Triumvirat aus legendären Ex-Spielern gebildet. Triumvirat klingt toll und auch viel eher nach Management als nach Training.

Wir schalten jetzt mal rüber in die konstituierende Sitzung der Trainerfindungskommission für das Jahr 2006, kurz nach dem WM-Viertelfinale, in dem Deutschland ausgeschieden ist.

MV und Kollege Zwanziger, beide sehr etabliert, wie wir wissen, vollführen einen kurzen Schwenk über das verfügbare Trainerangebot: Schaaf? Alkoholprobleme seit dem Rauswurf in Bremen. Hitzfeld? Trainer in Bosnien-Herzegowina. Magath? Wieso Magath? Lassen Sie doch die Witze, Herr Zwanziger.

Kennt sonst noch jemand einen in Frage kommenden Trainer? Nein? Gott sei Dank. Dann, meine Herren, lassen Sie uns doch mal über folgendes nachdenken.

Und dann, wir ahnen es schon, wird erneut ein Triumvirat gekürt aus der einstigen Top-Elite des deutschen Fußballs: Jancker, der Furchteinflößende, Ramelow, der Spaßvogel, und Kahn, der Unbeschreibliche. Diese drei werden ausgesandt, das Feld des internationalen Spitzenfußballs von unten aufzurollen. Trainererfahrung haben sie nicht, brauchen sie nicht, stört nur. Dieser ganze deutsche Unfug, duales Bildungssystem, Lehrjahre und Herrenjahre, das ist doch Schmonzes. Learning by doing, hire and fire, das Einmaleins des Managements, so geht das heute.

Assauer und Co. sitzen derweil etabliert in der Loge und würfeln, wer den MV ablöst. Irgendwann. Vielleicht grübeln sie aber auch immer noch darüber nach, wie der das damals eigentlich gemacht hat, der Klopp. Dass seine Spieler eine ganze Saison über so gebrannt haben, da oben mitspielen zu dürfen, dass sie am Ende Meister geworden sind.

Dann wird Hoeneß den Kopf schütteln und sagen: „11833!“, und die Welt ist wieder in Ordnung.

© Kirsten Ranft, 2004