Von Hemingway gehört unter anderem Fiesta in meinen Literaturkanon, weil ich damit bis in alle Ewigkeit einen Partyabend aus der Abiturzeit in Verbindung bringen werde. Ich saß mit einem Schulkollegen am Tisch und wir stellten fest, dass wir beide zufällig gerade Fiesta auf dem Nachttisch liegen hatten.
Fortan verbrachten wir den Abend damit, die Figuren aus dem Roman auf unsere Clique zu übertragen, und ich weiß noch ganz genau, wer der Mann mit den Knickerbockern war. Es war ein herzerfrischender Abend, an dem wir uns intellektuell und auch sonst unbesiegbar fühlten.
Näher als Fiesta ist mir inzwischen allerdings A Farewell to Arms, nicht nur, weil Fiesta so lange her ist und eher nostalgische Gefühle erzeugt. In einem anderen Land ist ein ganz besonderes Buch. Das hab ich aber erst ganz an dessen Ende begriffen.
In einem anderen Land beschreibt die Sinnlosigkeit von Zeugung, Leben, Krieg und Tod in einem ganz besonderen Kreislauf. Der Erzähler trifft zu Anfang des Buches auf eine Frau, mit der er im Lazarett in Oberitalien einige Zeit verbringt. Er ist als amerikanischer freiwilliger Sanitäter unterwegs und desertiert, als er erfährt, dass seine Freundin schwanger ist.
Wie sich die beiden dann über den Lago Maggiore zum Genfer See und in ein Dorf oberhalb von Montreux durchschlagen, was alles im Gefecht und im Lazarett geschieht, wie sie lange zusammen in Mailand leben – das ist fantastisch und wild, aber man fragt sich doch: where’s the beef? Das Fleisch kommt, und zwar mit aller Wucht und Gewalt, als das Kind geboren werden soll. Denn das Kind ist tot. Und die junge Frau stirbt bald danach im Kindbett.
Und das schlägt ein wie ein Fausthieb. Diese neun Monate, die das Buch schildert, wie die Soldaten verrecken – am deutlichsten kann ich mich an die Lasterfahrt erinnern, in der im oberen Bett einer blutet und blutet, dass die unten sich beim Fahrer beschweren, und als sie im Lazarett ankommen, ist der Mann oben tot – und wie immer wieder im Kreis gefahren wird, wie Essen geholt wird, wie versucht wird, am Leben Gebliebene für den Einsatz tauglich zu machen, und am Ende dieser neun Monate winkt als einziger Hoffnungsschimmer auf eine bessere Zukunft ein neuer Mensch, und dann ist dieses neue Kind tot und die ganzen Mühen und Leiden umsonst.
Hemingway wird immer als Haudegen und Weiberheld geschildert, aber ich glaube, er war etwas ganz anderes. Nicht umsonst wohl hat er sich wegen seiner Depression erschossen. Hemingway war in meinen Augen ein unglaublich zarter, empfindender Mensch, der von der Abenteuerlust und dem Söldnertum mitgerissen wurde. Die Geschichte ist quasi durchgängig autobiographisch – nur dass weder Kind noch Mutter (Hadley, seine erste Frau) bei der Geburt gestorben sind. Aber sich dieses Schreckensbild ausmalen zu können und dann in einen so fantastischen Kontext zur Sinnlosigkeit des Krieges zu setzen – für mich ist das große Kunst. Und wohl nicht nur für mich, denn immerhin hat Hemingway für diesen Roman den Pulitzerpreis bekommen.
„Die Welt zerbricht jeden… die, die nicht zerbrechen wollen, die tötet sie.“ Das ist das bittere Resümee, das der Erzähler zieht, und was kann man dazu noch sagen?
Eine Besonderheit aus A Farewell to Arms ist der Schauplatz, der mich wieder einmal in die Vergangenheit führt, zur Kartause von Parma und zu Stendhal. Denn der Lago Maggiore, Mailand und Oberitalien spielen auch in diesem Roman eine wichtige Rolle. Als Frederic, der Held aus Hemingways Buch, sich per Sprung ins Wasser von einer Brücke rettet, hat man geradezu den Eindruck eines Déjà-vu, wenn man an die Kartause denkt.
Hat mich schrecklich gelangweilt und enttäuscht „In einem anderen Land“, weil so absehbar war, was passieren würde.
ABer lange her . . .
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Ja, Längen hat es schon, langweilig fand ich‘s trotzdem nicht, und das Ende hat mich kalt erwischt.
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Danke für deinen Bericht. Das Buch kenne ich (noch) nicht, aber den Lago Maggiore und die Gegend dort herum 🙂
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Dann solltest du unbedingt die Villa am Lago lesen. 🙂
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