Seit ich die Recherche gelesen habe, treffe ich immer wieder auf Bücher und Geschichten, die damit im weitestmöglichen Sinne in Zusammenhang stehen. So auch der Bernsteinaugenhase. Ein unglaubliches Buch. Ich hatte davon in der Zeitung gelesen kurz vor dessen Erscheinen in der deutschen Übersetzung. Kurz darauf, als ich ohnehin schon entschlossen war, es zu kaufen, suchte ich im Internet nach Kritiken dazu und siehe da: das Buch war keine vier Wochen auf dem Markt und es gab etwa zehn Leserkritiken, alle mit der höchstmöglichen Punktzahl. Das hat mich überrascht und beflügelt, und ich kann nur sagen: Respekt vor diesen Lesern. Das Buch hat es verdient, es bekommt auch von mir die höchste Punktzahl in egal welchem Ranking. Aber dass in so kurzer Zeit ein Sachbuch (denn das ist es nun mal, auch wenn die dort geschilderten Leben jedem Roman Ehre machen würden) solche Anerkennung findet, das ist einfach grandios.
Der Hase also und der Zusammenhang mit der Recherche. Die meisten Figuren in Prousts Werk haben reale Vorbilder, viele nicht nur eines, sondern eine Mischung aus mehreren Personen. Eines der Vorbilder von Swann ist ein Bankierserbe mit Namen Ephrussi, für den Proust eine Zeitlang als Sekretär tätig war. Und der Autor des Hasen ist ein Spross aus dieser Familie, der irgendwann beschlossen hat, deren Geschichte aufzuschreiben.
Mehr an Inhalt will ich hier gar nicht wiedergeben, ich will einfach meine Eindrücke von dem Buch vermitteln, und die stürzen in ganz ähnlicher unsortierter Weise auf mich ein wie bei der Recherche.
Der Hase mit den Bernsteinaugen ist Teil einer Sammlung japanischer Figürchen, die aus verschiedenen Materialien kunstvoll geschnitzt und am Kimonogürtel getragen wurden. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kam Japan in Frankreich groß in Mode, was bei Unterwegs zu Swann in der Wohnungseinrichtung von Odette zum Ausdruck kommt.
Damit hat es sich auch schon im Wesentlichen mit den Bezügen zur Recherche, wobei ich an dieser Stelle nicht das „Frühstück der Ruderer“ von Renoir unterschlagen will, der wiederum neben Manet als eines der Vorbilder für Elstir in der Recherche verewigt ist und von Marcel sehr verehrt wird; auf diesem Bild ist im Hintergrund Charles Ephrussi zu sehen, im schwarzen Rock und mit Zylinder, was in der ausgelassenen Truppe von Ruderern sehr steif und zurückgezogen wirkt.
Ephrussi sammelt die Netsuke genannten Objekte, und wie sie ihre Reise um die Welt antreten, als sein Erbe, und dann von Edmund de Waal, dem Autor des Buches, wiedergefunden werden – dafür gibt es nur einen Begriff: Lesen! Unfassbare Geschichten, über den Anschluss 1938, als die Ephrussis in einem prunkvollen Palais am Ring in Wien residieren; über einen schillernden Onkel, den es nach Japan verschlägt; über die Herkunft der Familie aus Odessa. Es ist eine historische Weltreise, so lebendig und vielfältig wie man es sich nur wünschen kann.
Liebe Kirsten,
das war mein Eintrag zu diesem Buch auf meinem Blog, vielleicht magst Du mal schauen?
Lieber Gruß vom Dach in Hanau, Karin
https://11sternschnuppe11.wordpress.com/2016/04/29/lesen/
LikeGefällt 1 Person
Sehr schön, danke für den Link! Eine ganz andere Herangehensweise, und doch kristallisieren sich dieselben Schwerpunkte heraus (Wien, Paris, Japan). Mich hat der Onkel in Japan fasziniert, eine schilldernde Figur! Und Ephrussi auf Renoirs Gemälde, das haut mich immer noch um. Ein Zeitzeugnis. Der Maler als Paparazzo.
LikeGefällt 1 Person